Für die rund 40 Mitglieder der OG Stadt Bern öffnet sich im Juni 2024 eine andere Sichtweise auf die Tätigkeiten der Schweizer Luftwaffe (LW). Oberstlt Lukas Rechsteiner nimmt uns mit. Wir fliegen zu Friedensförderungseinsätzen (PSO), zu Katastrophenhilfseinsätzen (ADRIANA) und zu internationalen Ausbildungen und Übungen (AMA). Dieser Abend lässt die vier Wände eines Vortragssaals vergessen und wir begeben uns in die Luft.

Wir sind angeschnallt, der Rotor läuft und wird schneller, es rüttelt, der Super Puma hebt ab. Oberstlt Lukas Rechsteiner, Chef Luftransportoperationen und Fluglehrer auf Super Puma, berichtet über die Einsätze mit Helikoptern der LW. Diese können drei Aspekte umfassen: ADRIANA, subsidiärer humanitärer Einsatz der Schweizer Armee in Katastrophengebieten bei Waldbränden, Bergstürzen oder Überschwemmungen. Peace Support Operationen, die internationalen friedensfördernden Missionen gemäss UNO Resolution oder Kurse und Übungen AMA gemäss Anfragen oder Bedürfnissen.

Die Beschaffung der ersten Helikopter Super Puma vor bald 40 Jahren befähigte die Schweizer LW zu internationalen Einsätzen. Die Landkarte zeigt auf, dass fast in jedem Land in Europa und bis in den Nahen Osten schon einmal LT Einsätze, Kampagnen oder Module geleistet worden sind. Am weitesten weg war wohl der LT Einsatz auf Sumatra nach dem Tsunami als kooperativer Einsatz aus der kleinen Schweiz mit grosser Wirkung. Ebenso eindrücklich ist ein kurzer Film über die Rettung eines Babys aus einem nach Dammbruch überschwemmten Gebiet in Bosnien. Dieser Einsatz erfolgte zusammen mit der slowenischen Luftwaffe. Ein Soldat seilt sich ab und holt das wenige Monate alte Kind in einem Babytragsitz aus den Fluten wo es wie in einem Bötchen schwimmt. Das Kleinchen blickt vertrauensvoll und zufrieden um sich. Es bleibt kein Auge trocken. Wenige Tage vor diesem Referat waren verschiedene Bergkantone der Schweiz von schweren Unwettern betroffen. Im Misox wurden mehrere Personen vermisst. Oberstlt Rechsteiner ist selber hingeflogen. Dank ihrem noch intakten Handy konnte eine Frau geortet werden, die noch winken konnte. Sie wurde durch die Helikopterbesatzung aus den Geröllmassen befreit und der nächsten Ambulanz zugewiesen. Wir holen tief Luft, es geht ans Lebendige. Solche Erlebnisse perlen auch am erfahrensten Piloten nicht einfach so ab. Diese Ortungsgeräte haben private Helikopterfirmen nicht. Das kann nur die LW.

Missionen PSO werden von der NATO beantrag und von der NATO geführt. So wurden aus Albanien Flüchtlinge ausgeflogen, im Rahmen einer UNHCR Mission. Der Referent erwähnt weitere Einsätze für EUFOR oder KFOR (SWISSINT). Für jede Mission braucht es eine Lagebeurteilung sowie ein Flugstundenbudget. Angehörige der LW geniessen in der Bevölkerung Kosovos grossen Respekt. Eine Luftfahrtkarte zeigt einerseits Schutzgebiete und andererseits Sperrgebiete, wo nicht geflogen werden darf. Die Angehörigen der LW, wie auch die anderen AdA bei KFOR oder EUFOR, sind freiwillig dort. Sie haben einen Arbeitsvertrag mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Wie auch für ADRIANA werden Dringlichkeit und Bedrohung abgeklärt, für Personal, Mittel, Infrastruktur, Logistik Chancen und Risiken. Es ist beachtlich, was es für PSO im Balkan an Logistik und Infrastruktur braucht. Zelte für die Heli, Wohncontainer, Sanitärcontainer, Büros, Küche, Aufenthaltsraum, und natürlich Waschcontainer und Kühlcontainer. Fahrzeuge, Velos, Dieseltanks und Notstromgruppe für ein Kontinentalklima von -25°C bis +40°C. Die Operation muss geführt werden mit Personal, Nachrichtendienst, Einsatz und Unterhalt der Helikopter, Führungsunterstützung und dazu braucht es natürlich auch Finanzen.

Lukas Rechsteiner geht über zu AMA. Längst besteht mit mehreren europäischen Ländern eine bilaterale / multilaterale Zusammenarbeit, die jedoch der breiten Öffentlichkeit kaum bewusst oder bekannt ist. Wir erfahren Erstaunliches, Interessantes und Wissenswertes. So trainieren andere Luftwaffen bei uns in den Alpen den anspruchsvollen Gebirgsflug, Instrumentenflug und taktische Tiefflugnavigation. Frankreich trainiert mit uns Luftpolizeidienst mit Helikopter. In Schweden wird mit dem integrierten Selbstschutzsystem ISSYS trainiert. Eine Spezialausbildung bietet Deutschland mit einer modernen Anlage an: Überleben und Rettung im Wasser, See oder Meer. Nicht nur die Helikopter, auch die Kampfflugzeuge der Schweizer Luftwaffe trainieren übrigens seit vielen Jahren ihre Einsatzverfahren inkl. Nachtflüge über der Nordsee.

Im Frühsommer 2024 fand in Portugal REALTHAW / HOTBLADE 24 statt, eine Übung die drei Wochen dauerte. Beteiligt waren 15 Länder mit 41 Helikoptern und Flugzeugen der jeweiligen Streitkräfte. Es ging um die Weiterentwicklung der taktischen Flugverfahren. Jede Nation brachte ihre eigenen Piloten, Bodenpersonal, Material, Flugzeuge und Helis mit, die notwendige Logistik. Die ganze Infrastruktur für den Flugbetrieb wurde nach Portugal verschoben. Das bedeutete eine lange Vorausplanung und Organisation. Die Schweiz stand den grösseren Staaten in nichts nach. Ein Film über diese Wochen in Portugal rundet die Erklärungen des Vortragenden ab. Der Film ist eindrücklich und gibt die Stimmungen lebendig wieder.

Lukas Rechsteiner schliesst mit einem Fazit von 22 Jahren PSO. In dieser Zeit sind die Schweizer im Kosovo schon zwei Mal gezügelt. Es ist nie alles vollständig gut, es bleiben „Baustellen“. Ebenso erläutert er Einsätze ADRIANA und Zusammenarbeit AMA. Was ist super, wovon profitiert die Schweiz und was kann sie andern ermöglichen und geben? Was sind aber auch Nachteile? Es sind sehr viel weniger Punkte. Portugal war ein Highlight für alle Piloten obwohl sie stark gefordert worden sind wie Spitzensportler. Das Referat war ein Highlight für die Mitglieder der OGB. Wir sind beim Apéro auf den Punkt gelandet und das Gehörte wird noch eifrig mit Oberstlt Rechsteiner diskutiert.

Four a.D. Ursula Bonetti
Chefredaktorin OGB

  

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