Ausnahmsweise findet dieser Anlass im Hofcafé des Restaurants zum Äusseren Stand statt. Ein Brunnen plätschert, es fehlen nur die singenden Vögel in den Pflanzen. Die Wände sind blumig bunt im Jugendstil bemalt. Eine Oase. Das Vortragsthema ist allerdings weniger romantisch. Die Schweizerische Rettungsflugwacht Rega ist eine selbständige, private und gemeinnützige Stiftung. Ihr CEO, Oberst Ernst Kohler, bringt den 40 Mitgliedern und erfreulich vielen Damen in seinem Referat bei der OG Stadt Bern die Rega näher, „Was man weiss und doch nicht kennt …“ Mit ihren rund 3,6 Millionen Gönnerinnen und Gönnern ist die Rega fest in der Schweizer Bevölkerung verankert.

Die 1952 gegründete Rega erbringt ihre Leistungen ohne Subventionen der öffentlichen Hand und ist politisch unabhängig. Ernst Kohler ist seit 2006 Vorsitzender der Geschäftsleitung der Rega. Aus seinem beruflichen Lebenslauf lässt sich unschwer erkennen, dass der einstige Handwerker von der Pike auf gedient hat. Viele Jahre verbrachte er als Ingenieur im Elektrobetrieb Militärflugplatz Meiringen. Dieses fachliche Wissen und Können kommt ihm auch heute noch zugute. Er freut sich, sein Referat in Mundart halten zu dürfen.

Er beginnt mit der Vorführung eines neuen Films, der 2019 begonnen und 2021 abgedreht worden ist. Deshalb tragen die Personen darin teilweise Covid-19-Masken. Der spannende Film zeigt den ganzen Ablauf von Rettungen aus der Luft, von der Alarmierung bis zum meist guten Ende für den Kranken oder Verunglückten. Man fiebert geradezu mit, die Szenen sind unkonventionell eingefangen worden, rund um den Globus. Das ganze Einsatzspektrum spielt sich vor den Augen der Zuschauer ab. Nichts wurde inszeniert, man erhält einen authentischen Einblick in die Rettungshelikopter und auch in die hochmodernen Jets, die speziell für die Bedürfnisse der Rega entwickelt und eingerichtet worden sind. Da ist alles Notwendige an Geräten drin, um eine hochstehende medizinische Versorgung sicherzustellen, sei es bei einem Herzinfarkt oder schweren Verletzungen. Eine fliegende Intensivstation im wahrsten Sinne des Wortes.
Im Film kommen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus verschiedenen Bereichen der Rega zu Wort und machen klare Aussagen. Von der Ärztin bis zum Piloten, von der Einsatzleiterin in der Alarmzentrale bis zum Rettungssanitäter. Sie müssen nach erfolgter Alarmierung in spätestens fünf Minuten in der Luft sein. Gegenseitiges Vertrauen ist eine Grundbedingung, diese Berufe bei der Rega auszuüben. Man muss sich absolut aufeinander verlassen können. Im Flugzeug ist es eng. Man muss Hand in Hand für den Patienten im Einsatz sein. Die schweizerische Mehrsprachigkeit schon aus der Schulzeit ist ein grosser Vorteil. Sie erzählen von ihrem Engagement und sie sind sich unabhängig voneinander einig: „Wir gehen nicht zur Arbeit. Wir gehen fliegen, wir gehen retten!“

Sie sind überzeugt von der Rega und von ihrem Platz in dieser Organisation. Nicht alle Rettungen gehen gut aus. Dann ist man sehr niedergeschlagen, es geht unter die Haut. Die Retter verarbeiten das Geschehene im Gespräch untereinander und machen weiter im Wissen darum, alles Menschenmögliche für den Patienten gemacht zu haben. Die Anstellungskriterien sind sehr streng. Im Film sind herrliche Landschaften zu sehen, in unserer schönen Heimat, einige auch aus dem Ausland, wenn Gönner repatriiert werden. Die klimatischen Bedingungen sind dort nicht einfach. Tatsächlich hat uns der Film vieles vermittelt, das wir so nicht gewusst haben und wir sind tief beeindruckt. Es ist sehr still im Hofcafé.

Nun stellt Ernst Kohler „seine“ Rega auch in Zahlen vor. Seine 434 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sprechen insgesamt 13 Sprachen, für eine Anstellung in der Einsatzzentrale muss man mindestens fünf Sprachen können. In der Schweiz überwiegen Sport- und Verkehrsunfälle, aber auch Transporte von Schwerkranken in ein Spital. An manchen Tagen fliegen die Rega-Helikopter mehr als 100 Einsätze, täglich ist sie bei zwei oder mehr Verkehrsunfällen vor Ort. Müssen diese unsäglichen Sportunfälle sein, diese Raserunfälle? „Wir richten nicht, wir retten“, sagt Kohler. Um im Notfall rasch bei den Patienten zu sein, betreibt die Rega schweizweit 13 Einsatzbasen und 19 Rettungshelikopter. In Zürich sind drei Ambulanzjets von Bombardier stationiert. Warum nicht von Pilatus? „Unsere Jets müssen breiter sein, denn für den Einlad von liegenden Patienten muss man mehr Platz haben. Unsere Jets sind speziell dafür konstruiert worden und verfügen unter anderem über eine besondere Rampe, über welche liegende Patienten auf einer Trage in den Jet geschoben werden können. Bombardier war dafür der richtige Anbieter.“

Innovation ist ein grosses Thema bei der Rega: Sie war Mitte der 1980er-Jahre die erste zivile Organisation weltweit, deren Helikopterpiloten bei Einsätzen in der Dunkelheit Nachtsichtgeräte einsetzten. Der grösste Gegner bei Helikopter-Einsätzen ist das Wetter. Rund 600 Einsätze pro Jahr muss die Rega absagen oder abbrechen wegen schlechten Wetters. „Das will die Rega ändern. Was uns noch fehlt, sind Helikopter mit Enteisungsanlagen. Mit diesen könnten wir auch bei Schneefall über Pässe fliegen und noch mehr Menschen in Not helfen. Zum Beispiel für die Bevölkerung im Tessin wäre das ein grosser Vorteil. Weil das Kantonsspital Bellinzona keine Abteilung für schwerkranke Neugeborene oder Frühgeborene hat, müssen die kleinsten Patienten vom Tessin in die Neonatologie-Abteilung ins Luzerner Kantonsspital gebracht werden. Die Fahrt mit der Ambulanz dauert lange, aber ein Helikopterflug über den Pass in grosser Höhe bei Schneefall ist heute aufgrund der Vereisungsgefahr noch nicht möglich.“ Der Referent blickt optimistisch in die Zukunft: „Wir haben drei Rettungshelikopter mit Enteisungsanlage bestellt. Das ist ein sehr anspruchsvolles Entwicklungsprojekt, weil es solche Helikopter in dieser Grössenordnung gar noch nicht gibt“.

Zurück zu den drei Ambulanzjets der Rega: Mit mehreren Piloten und Ärzten an Bord sind auch Langstreckenflüge möglich. Natürlich muss man da auftanken. Viele Länder ermöglichen das mit speziellen Vereinbarungen sogar auf ihren Militärflugplätzen. Die Rega fliegt rund um den Erdball über 100 Destinationen an. Der Hauptsitz ist Zürich wo die drei Ambulanzjets stationiert sind. Dazu kommen 13 Helikopterbasen und eine Partnerbasis in Genf. Alle Basen sind gut über die ganze Schweiz verteilt, sodass jedes Einsatzgebiet in 15 Flugminuten erreicht werden kann.

Das Fundament dieser Organisation sind die Gönner und Gönnerinnen, die mit ihren Beiträgen diesen Solidaritätsgedanken mittragen. Das Gönnersystem ist ein Erfolgsmodell. Im Gönnerbeitrag sind auch alle im gleichen «Haushalt» lebenden Nutztiere inbegriffen. So konnten alleine im letzten Jahr Transporte von 1400 „Viechern“ organisiert werden. Diese Flüge zugunsten der Berglandwirtschaft führt die Rega aber nicht mehr selber durch: Hierfür beauftragt sie kommerzielle Helikopterunternehmen, damit die Rettungshelikopter stets für Menschen in Not zur Verfügung stehen. Vierzehn Standorte in der Schweiz, eine Alarmnummer: 1414. Merken wir uns das, es könnte Lebensrettend sein.

Four aD Ursula Bonetti
Chefredaktorin

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