Die Mitgliederversammlung (MV) der Offiziersgesellschaft Stadt Bern (OGB) konnte am 11. April 2022 mit 56 stimmberechtigten Mitgliedern und einigen Gästen erfolgreich durchgeführt werden. Oberst Dominik Knill, Präsident SOG nahm die Einladung an und der Gastreferent des Abends, Divisionär Peter «Pablo» Merz, hielt ein hoch spannendes Referat. Die Pflege der Kameradschaft fand bei einem gemeinsamen Essen im festlichen Saal im Restaurant zum Äusseren Stand statt.
Ziele der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG)
Präsident Oberst i Gst Frieder Fallscheer erteilte zunächst Oberst Dominik Knill das Wort. Oberst Knill überbrachte die Grüsse der SOG und eröffnete seine Worte mit der kurzen Einblendung einer Präsentation wie sich die Grenzen in Europa zwischen 1750 und 2017 immer wieder verändert haben. Mit wenigen Ausnahmen sind die Landesgrenzen der Schweiz praktisch unverändert geblieben. Diese Freiheit und Unabhängigkeit gilt es unbedingt zu bewahren!
Die SOG verurteilt den Überfall auf die Ukraine aufs Schärfste. Die SOG setzt sich intensiv dafür ein, dass mit Beschaffungen und Alimentierung unserer Armee vorwärts gemacht wird. Sie nimmt teil am Projekt neue Dienstpflichtmodelle. Die Abgänge zum Zivildienst erschweren die personelle Situation, das muss unbedingt geändert werden. Der obligatorische Orientierungstag (OT) für Frauen muss endlich eingeführt werden. Gleiche Rechte auf Informationen. Die bewaffnete Neutralität unseres Landes soll Sicherheit einfordern und verteidigen. Das Verteidigungsbudget ist bis 2030 graduell auf sieben Milliarden pro Jahr zu erhöhen. Er dankte Oberst i Gst Fallscheer für die professionelle Führung der OGB.
Mitgliederversammlung 2022
Der so Angesprochene ging zum statutarischen Teil der MV über. Die Traktanden waren zugunsten des angesagten Vortrages rasch abgearbeitet. Zu seinem Jahresbericht „Blenden wir Risiken aus?“ hat er tatsächlich noch im Januar das Risiko eines Krieges in Osteuropa ausgeblendet. Die Lage heute zeige den Wert des starken Wehrwillens des Ukrainischen Volkes auf, und dieser Wehrwillen sei auch bei uns noch vorhanden. Die Miliz ist immer ein Teil der Problemlösung. So konnten trotz zwei schwierigen Jahren doch etliche Anlässe der OGB durchgeführt werden und er dankte seinem Vorstand – auch hier Miliz – für die intensive und gute Zusammenarbeit zugunsten der OGB.
Präsident und Vorstand wurden für zwei Jahre wiedergewählt. Die Finanzen präsentierten sich im schwarzen Bereich, was auch mit den wenigen Anlässen im vergangenen Jahr zusammen hing. Der Revisionsbericht fiel positiv aus und dem Vorstand wurde Decharge erteilt. Die Versammlung erhob sich zu einer Schweigeminute für die verstorbenen Mitglieder. Das vielseitige Jahresprogramm wird auf der Webseite laufend ergänzt. Selbstverständlich setzt sich auch die OGB für die dringend notwendige Beschaffung NKF ein.
Aus gesundheitlichen Gründen fehlte Major i Gst Dominic Büchi. An seiner Stelle verlas der Präsident den Bericht der AVIA Sektion Bern. Ein Hauptthema ist natürlich die Beschaffung des neuen Kampfflugzeuges F-35A. Dies zog sich durch alle Berichte und Referate. Die Bevölkerung muss sehr gut informiert werden: Nur wer NEIN stimmt, sagt JA für den F-35A! Alle Anwesenden sind aufgerufen, dies im Gespräch in ihrem Umfeld immer wieder zu betonen und zu erklären.
Die Schweizer Luftwaffe und ihre Herausforderungen
Divisionär Peter «Pablo» Merz, Kdt LW, Militärpilot, der im übertragenen Sinne «am Boden» verankert ist und sofort den Draht zu den Zuhörern findet. Mit eindrücklichen Karten der sich fast täglich verändernden Situation in der Ukraine äussert er seine Beurteilung der Lage. „Krieg bleibt Krieg“, daran gibt es nichts zu beschönigen. Die Situation dort ist sehr ernst und könnte sich auch auf unser Land auswirken. Auch dort ist die LW von grosser Bedeutung, ein staatlicher Akteur in der dritten Dimension. Die Mittel am Boden braucht es ebenso dringlich, LW und Heer sind aufeinander angewiesen. Ein Problem bildet die Sicherung des Nachschubes der russischen Bodentruppen, was in dieser Auseinandersetzung deutlich wird. Ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung ist auf der Flucht. Die westeuropäischen Nachrichtendienste tauschen sich untereinander aus. Die jeweilige Aufklärung wird den Anrainerstaaten zur Verfügung gestellt. "Wer hätte das gedacht, dass eine Lageverfolgung in Echtzeit bei einem Krieg in Europa wieder notwendig wird?". Die russische Luftherrschaft konnte bisher noch nicht erreicht werden. Div Merz zeigt die Entwicklungsmöglichkeiten aus der Sicht der LW, wie die NATO mit Flugzeugen gegen Westen abriegelt. Dies führt dazu, dass die Luftwaffen der NATO ihre Jahresplanung überarbeiten mussten, um die Mittel dort zu priorisieren. Unter den NATO-Staaten herrscht Einigkeit – wir sind zurück im kalten Krieg. Im Übrigen gibt es nirgends ein schriftliches Dokument, in welchem versprochen und unterschrieben ist, dass Länder aus dem ehemaligen Ostblock nicht der NATO beitreten dürfen!
Wenn man die Weltlage beobachte, werde die Bedeutung des Luftraumes klar. Nur die Luftwaffe kann in der 3. Dimension für Ordnung in allen Lagen sorgen. Der Schutz des Luftraumes ist deshalb von immenser Bedeutung. In Konfliktsituationen müssen deutliche Signale ausgesendet werden. Wie reagiert beispielsweise China in Bezug auf den Krieg in den östlichen Ländern? Div Merz spricht noch andere Konflikte an wie in Israel, Kabul.
Nach dem Exkurs um den Globus kehrt er zur eigenen LW zurück und erwähnt deren Wichtigkeit und die Einsätze. Planbar ist Konferenzschutz, wie das WEF, das in diesem Jahr im Mai stattfindet, zum Schutz völkerrechtlich geschützter Personen. Ob im Bündnerland oder über dem Genfersee, die Zusammenarbeit mit den betroffenen Nachbarstaaten ist immer wieder eine Herausforderung. Nicht planbar sind Einsätze bei Naturkatastrophen wie z.B. Waldbrände oder Überschwemmungen, die stetig zunehmen.
Bedrohung = Potential x Absicht
Auch für die Schweizer Luftwaffe heisst die aktuelle Situation in Europa, dass wir uns nicht auf den wahrscheinlichsten, sondern wieder auf den gefährlichsten Fall vorbereiten müssen. Der Referent zieht den Vergleich zur Feuerwehr. Natürlich ist sie stets bereit, eine kläglich miauende Katze von einem Baum zu retten oder bei Hochwasser Keller auszupumpen. Die Feuerwehr ist jedoch in erster Linie dazu ausgebildet, Feuer zu bekämpfen. Und die LW ist nebst den genannten Einsätzen, u.a. auch Luftpolizeidienst, dazu ausgebildet zu kämpfen, das Land zu verteidigen. Das heisst auch im Luftkampf bestehen zu können.
Dazu gehört auch BODLUV. Die Luftverteidigung ist ein Gesamtsystem, das Programm Air2030. Dazu erwähnt Div Merz das Projekt C2 Air und die Werterhaltung der militärischen Radarsystemewelche zur Erfassung und Darstellung der erkannten Luftlage zwingend notwendig sind. Zu BODLUV erwähnt er den Projektstand zum System Patriot. Er bezeichnet es als das Wirksamste, Günstigste und Nachhaltigste, und deshalb ist das System Patriot gewählt worden.
Vom Thema Luftwaffe und Boden geht es ins Detail, zu den Fähigkeiten des F-35A, 5. Generation Kampfflugzeug, und Div Merz gibt einige technische Erläuterungen und die Begründung, weshalb sich der Bundesrat für dieses Kampfflugzeug entschieden hat. Die Datensicherheit ist gewährleistet. Wir entscheiden selber, mit wem wir Daten austauschen. Weiter informiert er über das Standortkonzept, Immobilienvorhaben, F-35A-Produktion. Der F-35A ist das «europäischste» Flugzeug, wie die Grafik zeigt, welche Länder bereits den F-35 beschafft haben oder gerade bestellen und wie unkompliziert das z.B. in Finnland möglich war, im Gegensatz zur Schweiz. Hierzulande ist wohl mit einer neuerlichen Initiative aus dem Lager der Armeeabschaffer zu rechnen. Die bisherigen Vereinbarungen sollten nun dringend unterschrieben werden, denn sie sind noch bis März 2023 gültig, dann müsste man ganz von vorne anfangen. Trotz der Initiative «Stopp F-35» ist es nämlich staatspolitisch möglich, die Verträge zu unterzeichnen, ohne ein Abstimmungsresultat abwarten zu müssen. Dafür setzt sich die «Allianz Sicherheit Schweiz» vehement ein, unterstützt wird dies auch von der SOG.
Die Weiterentwicklung der Fähigkeiten der Luftwaffe ist eine angestrebte Vision. Die Raison d’être ist die Verteidigung, die Armee soll in die richtige Richtung geführt werden. Wichtig ist auch der Lufttransport, die taktische Luftmobilität. Das Organigramm darf nicht fehlen: Die Luftwaffe und wie sie aufgebaut ist. Divisionär Peter Merz hat nicht um heisse Themen herum geredet, weder über den Waffengang in Osteuropa noch um die eigenen Luftwaffenfähigkeiten und Beschaffungen. Die Anwesenden wurden wie von einem Wirbelwind mit einem Schwall von Informationen umbraust. Die anschliessenden Fragen zeigen jedoch, dass es keine Minute lang an Aufmerksamkeit gefehlt hat. Eine interessierte Zuhörerschaft ist in der OG Stadt Bern Tradition. So war auch dieses Referat hoch geschätzt. Danke, «Pablo»!
Four aD Ursula Bonetti
Chefredaktorin