Am 4. März 2019, begrüsste der Präsident der OG Stadt Bern, Oberstlt i Gst Matthias A. Spycher, den Ehrengast der 158. Mitgliederversammlung: KKdt Aldo C. Schellenberg, C Op und Stv CdA, sowie 48 stimmberechtigte Mitglieder, die den Weg ins Haus der Universität gefunden hatten.
Ein Blick auf die aktuelle Europa- und Weltlage zeigte, dass diese keineswegs friedlicher geworden ist. Der Präsident rief dazu auf, als Bürger in Uniform aktiv zu werden, sich für die Sicherheitspolitik zu interessieren und sich zu engagieren. Besonders aktuell ist jetzt «Air2030». Er setzt grosse Hoffnungen auf die neue Chefin VBS, Bundesrätin Viola Amherd.
Er hielt einen Rückblick auf vergangene Anlässe, die gut besucht waren und die eine Vielzahl an Information über aktuelle Themen anboten. Gut besucht war auch der Internationale Schiesswettkampf in Bruchsal (D), der zusammen mit der OG Burgdorf organisiert worden war. Zahlreiche Mitglieder waren im Herbst am Festakt im Berner Münster zum 200-jährigen Jubiläum der Stadtschützen Bern dabei. Über die meisten Anlässe ist im Bulletin „der offizier“ und auf der Website berichtet worden.
Nebst einer erfreulichen Zunahme der Mitgliederzahl durch 19 junge Offiziere waren leider auch (soweit bekannt) 20 Todesfälle zu beklagen. Die Versammlung erhob sich zu einer Schweigeminute.
In seinem Jahresbericht dankte der Präsident dem Vorstand herzlich für die gute Zusammenarbeit, die Kameradschaft und die Unterstützung in Zeiten von Militärdienst. Er dankte auch den Sponsoren welche die Herausgabe des jährlichen Bulletins unterstützen und ermöglichen, dass nach den Vorträgen jeweils ein Apéro offeriert werden kann.
Die OG Stadt Bern ist gut aufgestellt. Auch die Finanzen zeigten sich mit einem Gewinn von CHF. 5‘384.55 von der positiven Seite, dank der sorgfältig und zuverlässig geführten Buchhaltung durch Lt Jakob Grütter. Gute Arbeit wird ihm auch von den Revisoren bestätigt und dem Vorstand wurde Entlastung erteilt.
Der Sekretär Oblt Simon Niffenegger hat den Vorstand im August 2018 verlassen. Vizepräsident Oblt Tobias Herren trat aus beruflichen Gründen zurück. Der Präsident überreichte ihm eine Anerkennung und dankte ihm sehr herzlich für seinen Einsatz im Vorstand. Man spürte den Kitt, der in der Schweizer Milizarmee im Militärdienst entsteht und sich im Vereinsleben positiv fortsetzt. Es wurde vorerst kein neuer Sekretär gewählt. Oberst i Gst Frieder Fallscheer wurde zum Vizepräsidenten gewählt. Revisor Daniel Ritz wurde bestätigt und für Oberstlt i Gst Thomas Klarnetas wurde Frau Heidi Horst als Revisorin gewählt.
Die Redaktorin Four Ursula Bonetti sprang kurzfristig als Protokollführerin ein und überlässt nun die Feder Hptm Michael Schifferli, Sekretär a.i. und Webmaster. Ihre Hauptaufgabe ist die Berichterstattung über die Anlässe für die Website und Ende Jahr natürlich die Herausgabe des Bulletins. Sie erhält statt Blumen einen Gutschein für ein Hotel am Genfersee um einmal zwei Tage lang so richtig die Seele baumeln zu lassen.
Unter Varia ergriff Oberst i Gst Frieder Fallscheer als Vertreter der Fachsektion AVIA das Wort zu Air2030. Es wird wiederum ein Symposium geben, diesmal in Payerne. Er rief dazu auf, sich nicht entzweien zu lassen. Die Offiziere müssten ihre Verantwortung mit Freude wahrnehmen und der Funke sein, der das Feuer entzündet. Es gehe um die Sicherheit unseres Landes. Er plädierte dafür, die Frauen besser «abzuholen», denn sie machen die Hälfte der Stimmberechtigten aus! Eindringlich erinnerte er daran, dass wir über die Beschaffung NKF und BODLUV abstimmen werden und nicht über einen Flugzeugtyp!
Ein kameradschaftliches Grusswort von Oberst i Gst Walter Annasohn, Präsident Vereinigung Berner Division, machte den Abschluss des geschäftlichen Teils der Mitgliederversammlung. Er schätzt die Freundschaft zwischen den beiden Vereinen und man besucht gegenseitig die angebotenen Anlässe. Er jedenfalls freut sich auf das Symposium Air2030 in Payerne. Doch nun galt die ganze Aufmerksamkeit dem mit Spannung erwarteten Referat von KKdt Aldo C. Schellenberg, bevor die meisten Anwesenden dann gemeinsam zum festlichen Abendessen schritten.
Sicherheit ist nicht alles, aber ohne Sicherheit ist alles nichts!
Mit dieser «Binsenwahrheit» eröffnet KKdt Aldo C. Schellenberg sein Referat das eigentlich den Titel «Erhalt und Weiterentwicklung der Verteidigungsfähigkeit» trägt. Frieden und Sicherheit sind keine Selbstverständlichkeit und müssen täglich verteidigt werden. Mit seinen Ausführungen geht der Referent auf die Unterschiede der Sicherheitspolitik im Kalten Krieg und heute ein; auf das Leistungsprofil der Armee und die dafür notwendige Bereitschaft und auf die Herausforderungen für die nächsten Jahre.
Zur Zeit des Kalten Krieges dominierten wenige Prinzipien die Sicherheitsstrategie der Schweiz: Bewaffnete Neutralität, autonome Landesverteidigung, die Guten Dienste der Schweiz. Die innere und äussere Sicherheit zivile, polizeiliche und militärische Mittel, sowie staatliche und nichtstaatliche Akteure wurden klar getrennt.
Heute gelten jedoch veränderte Bedrohungsformen. Unsere Welt ist instabiler geworden. Gefahren und Risiken, über die in den letzten Jahren geschrieben wurde, sind zu konkreten Ereignissen geworden. Es ist offensichtlich: Die internationale Lage scheint unübersichtlicher, unberechenbarer denn je zu sein. Es gibt beunruhigende Entwicklungen, nicht weit weg von uns, sondern direkt vor der Haustüre und mitten drin, in Europa und auch in der Schweiz. Staatschefs drohen sich gegenseitig unverblümt mit dem Atomwaffenarsenal und mit Grossmanövern und Truppenverlegungen unmittelbar an der Ost- und Südostgrenze Westeuropas wird mit allen verfügbaren Säbeln gerasselt. Die letzte Zeit hat gezeigt, dass die Hemmschwelle für den Einsatz militärischer Mittel generell gesunken ist, wie zum Beispiel in der Ukraine.
Mit dem Aufkeimen neuer Bedrohungen und Gefahren entwickelte sich die Schweizer Sicherheitspolitik und mit ihr die Armee. Eine Studie zeigt auf, wie sich die komplexe Sicherheitslandschaft in der Schweiz heute darstellt, wer also mit wem und wie intensiv kooperiert und wie die Abgrenzungen zwischen Bund und Kantonen oder zwischen Schweiz und Ausland, bzw. zwischen Staat und Privaten gezogen werden.
Damit kommt KKdt Schellenberg zum Leistungsprofil der Armee. Vorhersehbare Unterstützung der zivilen Behörden ist planbar. Man spürt jedoch bald, dass es dem Chef Kommando Operationen nicht um Eidgenössische Sport- und Kulturanlässe geht. Dort, wo es um die eigentliche Raison d’être der Armee geht, der Abwehr eines militärischen Angriffs, begnügt sich das Leistungsprofil mit einem einzigen Satz: «Erhalt und Weiterentwicklung von Fähigkeiten zur Abwehr eines militärischen Angriffs als permanente Aufgabe.» Es geht auch um die Bereitschaft für nicht Vorhersehbares. Der Referent geht nun zur aktuellen Dienstleistungsplanung. Je nach Ereignis müssen rasch zusätzliche AdA aufgeboten werden können. Hierzu benötigen wir das System der abgestuften Bereitschaft mit der Mobilmachung. Das anwesende Publikum kennt dieses Prinzip und die WEA-Pfeiler. Mit den Mitteln der ersten Stunde kann die Armee praktisch aus dem Stand Leistungen erbringen. Die Milizformationen mit hoher Bereitschaft (MmhB) sollen die ersten Einsatzelemente nach 24 bis 96 Stunden massgeschneidert auf das Ereignis unterstützen und ergänzen. Innert 10 Tagen sollen insgesamt bis zu 35'000 Militärs eingesetzt werden können, was zusätzliche Unterstützung durch Logistik- und Führungsunterstützungs-Formationen bedingt. Alle diese Formationen können in regionalen Vorortlagern rasch mit ihrem reservierten und vorbereiteten Material ausgerüstet werden. Die Mobilisierung der übrigen Verbände der Armee benötigt in der Folge etwas mehr Zeit. Die Mobilmachungsorganisation wird seit 2018 in den WK intensiv trainiert.
Mit Erhöhung der Bereitschaft für den Luftpolizeidienst sollen in Zukunft permanent zwei bewaffnete Einsatzflugzeuge abrufbereit sein, die jederzeit einen Luftpolizeieinsatz durchführen können. Das erklärte Ziel ist die Interventionsfähigkeit während 24 Stunden an 365 Tagen. Dieses wird 2021 erreicht sein. Im Jahr 2019 geht es darum, die Mobilmachungsfähigkeit in den Bereichen «helfen», «retten», «schützen» weiter zu verbessern, mit Live-Übungen den zeitgerechten Rückzug von Material mit Abgabevorbehalt aus den RS zu überprüfen und mit Testalarmen die Alarmierbarkeit der MmhB zu testen bw. zu trainieren. Ab 2020 geht es darum, die Mobilmachungsfähigkeit auch aller anderen Truppenkörper praktisch zu trainieren.
Der letzte Punkt dreht sich um Erhalt und Weiterentwicklung der Verteidigungsfähigkeit. Worauf bereiten wir uns vor? Militärische Auseinandersetzungen mit Bezug zur Schweiz stehen heute nicht im Fokus. Aber niemand weiss, was die Zukunft bringt. Eine Abwehr militärischer Angriffe, also die Verteidigungsfähigkeit, ist die Kernaufgabe der Armee. Die Armee ist die letzte Sicherheitsreserve des Bundes. Nach der Armee kommt nichts mehr. Die Armee muss gewinnen! Es gibt keinen Plan B.
KKdt Schellenberg geht zum Erhalt und Weiterentwicklung der Verteidigungsfähigkeit. Die Wichtigkeit der Operationssphäre BODEN ist für die Entwicklung der Armee offensichtlich, ohne jedoch den Einfluss der anderen Operationssphären zu schmälern. Alles, was es zu schützen und zu verteidigen gilt, befindet sich am Boden: Dort wo unsere Bevölkerung lebt wird auch das Gros der militärischen Kräfte zum Einsatz kommen müssen. Die fortwährende Weiterentwicklung der Bodentruppen stellt mit der parallel laufenden Erneuerung der Mittel zum Schutz des Luftraums den Hauptmotor für die Evolution des Gesamtsystems Armee dar. Weitere Operationsräume sind Cyberraum, elektromagnetischer Raum, Weltraum, Informationsraum. Wo stehen wir da? Die Anwesenden kennen auch die Darstellung wonach bis Ende der 2020er Jahre eine grosse Anzahl unserer Hauptsysteme zum Schutz des Luftraums und der Bodentruppen ihr Nutzungsende erreichen.
Insgesamt sind von 2023 bis 2032 Investitionen mit Rüstungsprogrammen von insgesamt bis zu 15 bis 16 Milliarden Franken nötig. Die Armee selber kann aus ihrem heutigen Budget von rund 5 Milliarden Franken pro Jahr jeweils 1 Milliarde Franken für Rüstungsprogramme einsetzen. Um die nötigen Investitionen finanzieren zu können, will der Bundesrat gemäss Grundsatzentscheid vom 8. November 2017 den Zahlungsrahmen der Armee in den kommenden Jahren kontinuierlich erhöhen. Dem Armee-Budget soll insgesamt eine Wachstumsrate in der Grössenordnung von 1,4 Prozent pro Jahr eingeräumt werden.
Erste Priorität hat dabei die Erneuerung des Schutzes des Luftraums. Dafür benötigt es auch in Zukunft weiterhin sowohl Kampfflugzeuge als auch bodengestützte Mittel der Luftverteidigung (AIR2030). Ohne Luftverteidigung wäre die Bevölkerung im Fall eines bewaffneten Konflikts schutzlos Angriffen ausgesetzt, und auch die Bodentruppen könnten kaum mit Aussicht auf Erfolg eingesetzt werden. Die Schweiz soll deshalb neue Kampfflugzeuge und ein neues System für die bodengestützte Luftverteidigung für maximal 8 Milliarden Franken beschaffen. Die bodengestützte Luftverteidigung grösserer Reichweite soll fähig sein, selbständig oder in Kombination mit den Kampfflugzeugen, Räume zu schützen und dabei in erster Linie Ziele im mittleren und oberen Luftraum zu bekämpfen. Aldo C. Schellenberg geht nur kurz auf die Offerten für NKF ein. Es fällt kein Name eines Flugzeugtyps, was sehr wichtig ist, denn es ist für das Projekt von grösster Bedeutung, dass der Typenentscheid für BODLUV und NKF gleichzeitig und aufeinander abgestimmt getroffen wird. Die beiden Systeme ergänzen sich gegenseitig mit ihren Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken.
Der Erhalt und die Weiterentwicklung der Verteidigungsfähigkeit erfordert aber auch am Boden eine robuste Ausrüstung der Armee. Diese kann zeitgerecht sichergestellt werden, wenn der Grundsatzentscheid des Bundesrates vom November 2017 umgesetzt wird. Neben den 8 Milliarden, welche davon für das Projekt AIR2030 maximal zur Verfügung stehen, verbleiben für den Zeitraum 2023 bis 2032 ca. 7 Milliarden für den Rest der Armee. Bedingung ist allerdings, dass die Betriebskosten der Armee möglichst konstant gehalten werden können. Die Armeeführung ist aktuell daran, die zukünftig benötigten Fähigkeiten der Bodentruppen gesamtheitlich zu erfassen, darzustellen und in Varianten zu prüfen. Das Resultat dieser Arbeiten wird zeigen, welche Fähigkeiten in welcher Priorität (weiter)entwickelt werden sollen. Damit sind die Grundlagen für eine kohärente und längerfristige Rüstungsplanung für die Bodentruppen gelegt.
KKdt Schellenberg schliesst seinen eindrücklichen und informativen Vortrag mit den Worten: «Wenn Sie alle uns auf diesem Weg unterstützen, werden wir auch in Zukunft als strategische Reserve des Bundes wirkungsvoll für Sicherheit und Freiheit unseres Landes kämpfen können. AIR2030 und fähigkeitsorientierte Entwicklung der Bodentruppen: wir müssen das Gesamtpaket zusammenhalten!«
Der verdiente, grosse Applaus für KKdt Aldo C. Schellenberg bestätigt seine Worte.
Four aD Ursula Bonetti