Die OG Stadt Bern hatte mit vielen Zuhörern zum Referat von Divisionär aD Peter Regli gerechnet, denn nomen est omen. Dass es mehr als 150 sein würden – darunter viele Damen aller Generationen – erstaunte dann doch. Der Saal musste in einen andern Raum hinein erweitert werden. Willkommene Gäste aus den Kosulaten Polen, Deutschland und Korea waren dabei. Das Vortragsthema verhiess neue Erkenntnisse aus berufenem Munde in mehreren Sprachen: „Die Ukraine, Putin und Xi Jinping – unsere bedrohte Freiheit“.

Als ehemaliger Militärpilot kennt Div aD Peter Regli die grenzenlose Freiheit über den Wolken. Er überflog aber schon einige Länder wo unter den Wolken Unfreiheit und Unterdrückung herrschen. In seinem Vortrag will er aufzeigen, wie die Welt heute aussieht. Er spannt dabei einen Bogen, der weit über den Krieg in der Ukraine hinausgeht und stellt Zusammenhänge zu Russland, China und den USA her. Der frühere Chef Nachrichtendienst stellt fest, dass gerade in der Ukraine der Nachrichtendienst eine immense Rolle spielt.

Die Folien, die der Referent zeigt, sind tagesaktuell und beziehen sich teilweise auf die NATO, neue Mitgliedstaaten, das G7-Meeting, dabei blickt er in die Zukunft. „Die Freiheit der Ukraine ist die Freiheit Europas.“ Um einen neuen Staat in die NATO aufzunehmen, müssen alle Mitgliedstaaten einverstanden sein. Wenn solche Staaten gerade selber eine Regierungskrise haben, setzen sie natürlich andere Prioritäten. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass sich Kaliningrad, also eine Ecke Russlands, in empfindlicher Nähe zu Schweden befindet. Und gerade hier üben die Luftwaffen über der Ostsee, auch mit dem neuen F-35.

Der Referent redet sich ins Feuer, übt offen Kritik an Putin, stellt Fragen zur gerade von vielen Seiten so stark schöngeredeten Neutralität der Schweiz. „Wie können wir da noch neutral sein?“ In der Ukraine werden die Menschenrechte täglich verletzt. Er setzt dazu, dass dies seine ganz persönliche Meinung sei, und dazu steht er. Das Publikum spendet mitten im Satz spontan lauten Applaus. Manche wischen sich eine Träne aus den Augen. Peter Regli redet nicht nur um ein paar Panzer herum. Er wendet sich nun China zu. Der Staatsmann Xi schloss im Februar 2022 einen „ewigen“ Freundschaftspakt mit Putin. Dies könnte als Drohgebärde im Indo-Pazifik angewendet werden. Begriffe wie Menschenrechte, Chinas aggressive Wirtschaftspolitik, die Nähe zu Putin sind nichts anderes als eine neue Kolonialpolitik. Das südchinesische Meer gewinnt an Bedeutung. Taiwan ist kein grosser Staat, doch ein Krieg gegen Taiwan könnte auch uns betreffen.

Die Zukunft liegt im Indo-Pazifik. 50% der Wirtschaftsgüter gehen durch das südchinesische Meer. Ein Schwergewicht Europas ist in den Indo-Pazifik verschoben worden. Die chinesische Nation ist auf dem Weg nach vorne, die Navigationsfreiheit wird unterbunden mit einer gehörigen Portion Arroganz. Wo liegt der Gegenpol? Div aD Regli ist überzeugt: Wir Europäer können ohne die USA nicht existieren. Wir stecken dazwischen. Er zeigt die Einflusssphäre Chinas auf. Russland wird zum Vasallen der Chinesen, doch wird dies nirgends thematisiert, man hat Angst davor, China zu verärgern. Ja, und Taiwan ist die „Ukraine Chinas“. Es wird eine neue Weltordnung geschaffen. Der Aussenminister Chinas hat Putin besucht. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann der chinesische Verteidigungsminister nach Moskau reist. Auch hier ist grosse Aufmerksamkeit des Nachrichtendienstes vonnöten.

Eine Demokratie chinesischer Prägung wäre ein Überwachungsstaat, eine Einparteienherrschaft, eine Gleichschaltung der Bevölkerung, d.h. Gewalt über Recht. Das Dokument „Freundschaft ohne Grenzen“ gewinnt eine viel tiefere Bedeutung als bisher realisiert worden ist, denn es spielt auf Landesgrenzen an. Der territoriale Krieg in Europa dauert bis und mit Tag des Referates bereits 426 Tage. Putinversteher übersehen geflissentlich die Blutspur, die er seit 1999, beginnend in Tschetschenien, über Georgien, Krim und Donbass schon hinterlassen hat. Russland kämpft auch in Syrien, damit das Mittelmeer für ihn geöffnet bleibt. Seine Absicht ist klar: Er will eine neue europäische Sicherheitsordnung mit Grossrussland und das Bild des Zaren spricht für sich. Der internationale Aufschrei ist kaum zu hören. Angela Merkel hat sich geduckt, sie will natürlich die Gaslieferungen nicht gesperrt haben und spricht von ihrem Vertrauen zu Putin. Die sozialen Medien spielen eine enorme Rolle, die russischen Medien betreiben bewusst Desinformation und beeinflussen die Menschen, so dass diese die Ukraine nicht unterstützen. Die schweizerische Zeitung „Weltwoche“ stösst ins gleiche Horn.

Es ist Winter, die Menschen in der Ukraine sollen in zerbombten Häusern und Kellern überleben und dabei erfrieren. Und das im 21. Jahrhundert! Gräueltaten aus diesem Krieg müssen aufgeklärt werden, Mediziner, Staatsanwälte sind auf Friedhöfen unterwegs. Es braucht ein Gericht, das – wie einst die Nürnberger Prozesse – die Kriegsverbrechen aufklärt und bereits wird Putin mit internationalem Haftbefehl gesucht. Es wird eng für ihn.

Peter Regli ist überzeugt, dass die NATO Staaten die Ukraine unterstützen müssen und Russlands Streitkräfte so schwächen müssen, dass sie kein anderes Land mehr angreifen. Es geht auch um Werte wie Solidarität der Verantwortlichen. Es geht um die Werte Europas. Diktatoren fürchten nichts so sehr, wie die eigene Bevölkerung. Die Einwohner Russlands kennen keine Medienfreiheit. Sie konsumieren nur das, was ihnen staatlich kontrolliert vorgesetzt wird, und das halten sie natürlich für die ganze Wahrheit.

Der Vortrag schliesst mit den Erkenntnissen Ende April 2023: Das Völkerrecht und die UN-Charta, die Menschenrechte, internationale Abkommen werden missachtet. Der UNO Sicherheitsrat ist gelähmt, die Diplomatie ist gescheitert. Bereits macht sich eine gewisse Kriegsmüdigkeit bemerkbar. Wie ist es in der Schweiz? Wir stehen 2022-23 an einem historischen Wendepunkt: Unsere liberale, demokratische, werte- und regelbasierte, freie Welt ist gefährdet! Die Schweiz sollte besser antizipieren und endlich Farbe bekennen! Die Meinungsbildung lässt sich unschwer feststellen. Die Weltwoche betreibt ohne schlechtes Gewissen Desinformation in Wort und Bild und schafft damit Putin-Versteher. Wir müssen das ernst nehmen! Bereits übt die Welt Kritik an der Haltung der Schweiz, an der Meinungsäusserung in der Bevölkerung. Unsere Regierung ist in vielem zu langsam, kommt zu spät. „Wir müssen über die Neutralität sprechen und mit der NATO zusammenarbeiten, sonst werden wir zu willigen Helfern des Kremls. Die Ukraine kämpft für ihre Freiheit!“.

Der tosende Applaus ist verdient. Peter Regli ist ein mutiger Mann. Er sagt was Sache ist. Wir danken ihm dafür herzlich.

Four aD Ursula Bonetti

   

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